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BGH: Bei Kündigung von Lebensversicherungen ist mindestens die Hälfte des Deckungskapitals auszuzahlen

Bereits in einem Urteil vom 25.07.2012 (Az. IV ZR 201/10) erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) mehrere Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die die Rückkaufswerte bei vorzeitiger Kündigung des Versicherungsvertrages regelten, für unwirksam. Die Bundesrichter sahen in der Verrechnung von Abschlusskosten mit den ersten Beiträgen eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmer gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Betroffen waren Klauseln in Versicherungsbedingungen für Kapitallebensversicherungen sowie für aufgeschobene und fondsgebundene Rentenversicherungen. Allerdings war in dieser Entscheidung nicht zu beurteilen, welche Rechtsfolgen sich aus der materiellen Unwirksamkeit dieser Klauseln für die Berechnung des Rückkaufswerts bei vorzeitiger Kündigung ergeben. Diese Frage hat der BGH nunmehr durch zwei Urteile vom 11.09.2013 (Az. IV ZR 17/13 und IV ZR 114/13) entschieden. Danach ist die Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit der Klauseln über die Berechnung des Rückkaufswerts und der Verrechnung der Abschlusskosten entsteht, im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass dem Versicherungsnehmer für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung zunächst die versprochene Leistung zusteht. Der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts darf aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten, der durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals bestimmt wird. Bei der Kündigung muss somit mindestens die Hälfte der geleisteten Beiträge an den Versicherungsnehmer ausgezahlt werden.

Üblicherweise wurden in der Vergangenheit in Versicherungsbedingungen für Lebens- und Rentenversicherungen Klauseln verwendet, nach welchen die Abschlusskosten - bei denen es sich meistens zu einem erheblichen Teil um Vermittlungsprovisionen handelt - auch im Fall einer vorzeitigen Kündigung mit den ersten Beiträgen verrechnet werden. Diese sogenannte Zillmerung führte bisher dazu, dass Versicherungsnehmer, die ihren Vertrag bereits nach wenigen Jahren und vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit kündigten, nur einen geringen oder gegebenenfalls gar keinen Rückkaufswert erhielten.

Bereits im Jahr 2006 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass es zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn in Versicherungsverträgen vorgesehen ist, dass die Versicherungsnehmer an den Kosten des Vertragsabschlusses beteiligt werden, indem die Abschlusskosten mit den bisherigen Prämienzahlungen verrechnet werden. Hierbei sei aber sicherzustellen, dass die Interessen der verschiedenen Gruppen von Versicherten angemessen berücksichtigt werden (BVerfG Beschluss vom 15.02.2006, Az. 1 BvR 1317/96). Unzulässig sei es insbesondere, wenn die Abschlusskosten in überproportionaler Weise Neuversicherungsnehmern auferlegt werden, die ihren Vertrag vorzeitig beenden. In solchen Fällen sei als Rückkaufswert nicht mehr der Zeitwert der Versicherung nach § 176 Abs. 3 S. 1 VVG a.F., sondern das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung anzusetzen. Mindestens müsse der Rückkaufswert aber die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals betragen (BVerfG, a.a.O., Tz. 74, 80).

Der BGH hat sich in seinen Urteilen vom 11.09.2013 der Auffassung des BVerfG hinsichtlich der Mindestbeträge für Verträge, die vor dem 01.01.2008 abgeschlossen wurden, angeschlossen. Da bisher im Rahmen von vorzeitigen Kündigungen und Prämienfreistellungen von Lebens- und Rentenversicherungen diese Mindestbeträge zumeist keine Berücksichtigung fanden, dürften einem großen Teil der betroffenen Versicherungsnehmer noch entsprechende Ansprüche zustehen.


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